Peinlicher Opa

Die Großeltern-Kolumne

Unsere sechs Enkel Julia, Paul, Lena, Malte, Hannah und Fenja haben ihre Heimaten in Stuttgart, Tübingen und Berlin, weit entfernt von Hilchenbach-Müsen im ländlichen Siegerland, wo meine Frau und ich wohnen. Verständlich, dass Begegnungen mit den Großeltern eher selten stattfinden können. Begegnungen mit allen sechs gleichzeitig am Ort von Oma und Opa sind folglich noch seltener. Und doch hat es solche Tage gegeben, Tage besonderen Jubels und Trubels bei uns im Haus. Wunderbar, abwechslungsreich und durchaus spannend. Erst recht, nachdem die jeweiligen Eltern ohne die Kinder bereits abgereist waren, um ihnen gemeinsame Enkel-Ferien bei den Großeltern zu ermöglichen.

Für das Ende dieser Tage ergab sich dann die Frage, wie Lena und Hannah zurück nach Berlin gelangten und wie Paul zum Besuch seiner anderen Großeltern nach Hoyerswerda käme. Und auch die drei Stuttgarter mussten wieder zurück ins Ländle. Fahrkarten kaufen und die sechs in ihre jeweiligen Züge setzen? Warum nicht! Sie würden schon alle ihre Reiseziele erreichen, waren sie doch bereits zwischen 11 und 14 Jahre alt. Mir als Opa war diese Geschichte aber zu riskant: „Wir machen es so: Ich bringe die beiden Mädchen mit der Bahn nach Berlin und Paul am nächsten Tag genauso nach Dresden, und später fahre ich auch mit nach Stuttgart!“ Also insgesamt neun Fahrkarten kaufen? Das würde viel zu teuer, wurde argumentiert. Ich hielt dagegen: „Ich habe eine Bahncard und kann bis zu sechs Enkel unter 15 Jahre mit auf meine Fahrkarte nehmen.“

Aus dieser Gegebenheit wurde dann zunächst eine Opa-Berlinreise mit fünf Enkeln, von der Oma bestens vorbereitet. Fenja, die Jüngste, wollte allerdings bei ihr bleiben. Während unserer Fahrt mit dem ICE klingelte bei meiner Frau das Telefon: „Oma, hör dir das an. Das ist voll peinlich, wie laut der Opa schnarcht. Was sollen wir machen?“ Ich hielt tatsächlich bei den Fünfen einen geräuschvollen Reiseschlaf und brachte dadurch die Kinder in Probleme: „Voll peinlich!“

Wir hatten noch viel Spaß miteinander unterwegs und in einigen gemeinsamen Stunden rund um das Brandenburger Tor. Schließlich landeten Hannah und Lena wieder zu Hause im Stadtteil Moabit. Leider ohne ihren Koffer. Der war in Müsen in der Reiseaufregung vergessen worden und musste später mit der Post nachgeschickt werden.

Wir anderen erreichten spätabends auch wider unser Zuhause. Ob der Opa auf der Rückfahrt erneut „voll peinlich“ war, blieb unbekannt, denn die Enkel verschliefen selbst einen Teil der Reisezeit. Die Bringfahrt nach Dresden an den Zug nach Hoyerswerda machte ich am Folgetag dann mit Paul alleine – Julia und Malte waren von der Berlinreise zu müde –, wobei unsere Zeit in der Elbestadt noch einen interessanten Stadt- und Shopping-Rundgang zuließ. Auch diese großväterliche Dienstleistungs-Fahrt wird den Beteiligten in guter Erinnerung bleiben, genauso wie die ein paar Tage später nach Stuttgart.

Übrigens: Solche Art von Investitionen an Geld und Zeit haben einen hohen Zukunfts- und Erinnerungswert!

Lothar von Seltmann ist verheiratet, hat drei Kinder und sechs Enkelkinder und lebt in Hilchenbach.