Das Ziel im Blick

Anfang 2022 beschloss unsere damals sechseinhalbjährige Enkelin Talita: „Oma, bis Weihnachten möchte ich mein Seepferdchen haben.“ Dafür muss man die Baderegeln kennen, dem Bademeister einen Sprung vom Beckenrand mit anschließendem 25-Meter-Schwimmen zeigen sowie einen Gegenstand mit den Händen aus schultertiefem Wasser herausholen.
Talita hatte in den Sommerferien 2021 einen Intensiv- Schwimmkurs belegt, es allerdings nicht geschafft, den letzten Teil des Schwimmgürtels abzulegen und somit frei zu schwimmen. Hinzu kam: Sie wollte kein Wasser ins Gesicht bekommen – etwas schwierig in einem Schwimmbad. Da wir vier Enkelkinder haben und es somit schwierig für die Eltern ist, regelmäßig mit ihr ins Schwimmbad zu gehen, war für Talita klar: Oma muss das mit mir umsetzen. Wir zogen also fröhlich jeden Dienstag zum Schwimmbad am Ort. Trotz aller Unterstützung
durch den Bademeister gelang es nicht, Talita die Scheu vor „Wasser im Gesicht“ zu nehmen. Aber der Wille, das Seepferdchen zu bekommen, spornte Talita an zu üben. Begleitet von Aussprüchen wie „Ich lerne das nie“, „Bin ich zu leicht, bin ich zu schwer, um den Popo hochzuheben?“, „Igitt, Wasser im Mund!“ konnte Talita Ende 2022 ohne Schwimmhilfen einige Züge im Wasser durchführen.
Jetzt mussten Tauchübungen her – Unterstützung erbat ich mir von ihren älteren Schwestern (13 und 12 Jahre) – denn Tauchen zählt nicht zu meinen Lieblingsübungen. Nachdem sie zweimal gemeinsam im Schwimmbad waren, beschloss Talita: „Oma, wir nehmen die anderen heute nicht mit, das ist mir zu stressig!“ Was erwartete mich? Ein Kind, welches sich so fest vorgenommen hat, das Seepferdchen zu bekommen, dass sie einen Nachmittag lang alles Mögliche unternahm, um zu tauchen: Nase zuhalten, Augen geschlossen, zumindest das Gesicht
einmal unter Wasser.
Ich musste ihr vormachen, wie ich tauchen würde. Sie beobachtete Kinder aus einem Schwimmkurs. Dann ging sie zum Bademeister und erbat sich einen Gummiring, um danach zu tauchen: Nach dreimaligem Ansatz war der Ring oben – voller Freude gingen beide Arme in die Luft: „Juchhu – ich kann’s!“ und freudestrahlend stellte sie das Tauchen vor der
Bademeisterin unter Beweis. Anschließend bemerkte Talita treffend: „Warum habe ich mich eigentlich sooo lange angestellt?“
Dass sie die Baderegeln kann – und alle 14 im getreuen Wortlaut – versteht sich von selbst. Nun muss noch die Ausdauer fürs 25-Meter-Schwimmen her – dann wird es das Abzeichen geben.
Und ich bin wieder fasziniert von ihrem Willen: So lange zu üben, bis man das kann, was man sich fest vorgenommen hat!

Dieser Text von Bärbel Bonnermann stammt aus LebensLauf 3/23.