Lob- oder Klagelieder?

Die meisten Aufforderungen, Gott zu loben, finden wir in den Psalmen: „Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen. Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Mit diesen Worten beginnt Psalm 103. Und in Psalm 147 steht: „Denn unseren Gott loben, das ist ein köstlich Ding, ihn loben, das ist lieblich und schön“ (Vers 1).
Wer gerade ein rundum harmonisches Familientreffen erlebt hat, dem fällt dieses Gotteslob nicht schwer. Ähnlich ist es, wenn der verdächtige Gewebeknoten unter der Haut sich als harmlos herausstellt. Und während eines Spaziergangs in der Natur, bei der jeder Blick erneut die Kreativität des Schöpfers vor Augen führt, formt sich das Lob Gottes fast schon von selbst im Herzen.

Aber es gibt auch Situationen, in denen eher ein Klagelied angemessen erscheint: Zum Beispiel Missverständnisse, die in Streit enden, eine niederschmetternde Diagnose oder die Sorge, wie man finanziell über die Runden kommen kann. Gut, dass wir Gott dann unser Leid klagen können, ehrlich und ungeschönt. Die Klagepsalmen sind dafür ein Vorbild. Und sie zeigen außerdem: Wer Gott sein Herz ausschüttet, wird wieder fähig zum Lob. So beginnt Psalm 13 mit dem Ausruf „Herr, wie lange willst du mich so ganz vergessen?“ und endet mit den Worten „Ich will dem Herrn singen, dass er so wohl an mir tut.“
Diese Erfahrung hat die christliche Gemeinde in nun schon zwei Jahrtausenden gemacht. Gerade in schwersten Krisenzeiten entstanden die tiefgründigsten Loblieder. Paul Gerhardt dichtete im Dreißigjährigen Krieg: „Nun danket all und bringet Ehr, ihr Menschen in der Welt, dem, dessen Lob der Engel Heer im Himmel stets vermeldt.“ Und Jochen Klepper, dessen Familie während der NS-Zeit bedroht wurde, schrieb: „Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern! So sei nun Lob gesungen dem hellen Morgenstern!“

Gott zu loben ist nicht immer einfach. Aber es richtet unseren Blick auf das Wesentliche: Gott ist größer als unser Leid und unsere Angst. Und diesen großen Gott dürfen wir Vater nennen.

Ob Sie nun Lob- oder Klagelieder singen: Richten Sie sich auf Gott aus.

Agnes Wedell

Redaktion LebensLauf