Nachhaltig und kommunikativ

„Gebastelt“ hat Thomas Müller-Heinzerling schon immer gerne: Beruflich entwickelte der Physiker Automatisierungstechnik – etwa für große Chemieanlagen. In seiner Freizeit aber reparierte er, was in seinem Bekanntenkreis kaputtging: vom Elektrogerät übers Fahrrad bis zum Möbelstück. Inzwischen leitet der 64-Jährige das Repair-Café der Freien evangelischen Gemeinde Karlsruhe.

Am Samstagmorgen packt Dr. Thomas Müller- Heinzerling Leuchten,Werkzeuge und Kabel ein und fährt zum Gemeindehaus. Sieben weitere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter machen sich auf den Weg zum selben Ziel, auch sie haben Material aus ihrem Fundus dabei. Dann geht es ans Aufbauen: Sechs Reparaturstationen entstehen – für „vier Elektroreparateure, eine Näherin und einen Holzwurm“. Um 10.00 Uhr werden die ersten Gäste vor dem Gemeindehaus empfangen und der passenden Station zugewiesen. Und dann beginnt das Schrauben, Löten, Kleben und Nähen.

Kleine Anfänge

Auf die Idee, ein Repair-Café zu gründen, kam Thomas Müller-Heinzerling, als er einen Bericht in der Gemeindezeitschrift Christsein Heute las: Die FeG in der bayerischen Kleinstadt Germering hatte schon früher ein ähnliches Projekt gestartet. „Bei denen habe ich mich erkundigt und von ihren Erfahrungen profitiert.“ Von seiner Gemeindeleitung erhielt Müller-Heinzerling für seine Idee grünes Licht: „Die Gemeinde sieht diese Arbeit als Teil unseres Zeugnisses nach außen.“ Immer wieder kommt es zu interessanten Gesprächen, „und die Gäste erleben, dass Christen nicht weltfremd sind.“

Vor zwei Jahren fand das erste Repair-Café statt. Da war Thomas Müller-Heinzerling 62 Jahre alt und gerade in den zweiten Teil seiner Altersteilzeit gestartet: „Wir haben das Repair-Café zunächst nur intern im Gemeindeverteiler angekündigt und gefragt, wer mitarbeiten will. Um zu üben, wie wir die Abläufe gestalten, die Besucherströme leiten. Das würde ich immer empfehlen – in der eigenen Gemeinde hat man ja ein gutwilliges Publikum.“ Trotzdem solle man eine solche Arbeit „nicht blauäugig angehen: Es ist wichtig, klarzumachen, dass es sich nicht um ein Geschäft handelt und wir keine Garantie übernehmen – das alles ist Hilfe zur Selbsthilfe. Sonst begibt man sich in eine juristische Grauzone.“

Seit dem dritten Repair-Café macht Müller-Heinzerling in Zeitungsartikeln auf die Aktion aufmerksam. Bald kamen gut 80 Prozent der Gäste von außerhalb. Und inzwischen engagieren sich nicht nur Gemeindemitglieder für das Projekt: „Schon beim dritten Mal fragte jemand, den ich bisher nicht kannte, ob er mitarbeiten könnte.“ Der Neue fühlte sich schnell wohl im Team: „Ich denke, das ist das Besondere, dass wir die christliche Atmosphäre der Annahme, Liebe und Hilfsbereitschaft ausstrahlen.“

Ins Gespräch kommen

Wer zum ersten Mal das Repair-Café in der FeG Karlsruhe besucht und die eher nüchterne Industriehalle betritt, wundert sich meistens: „Wo ist Ihr Kirchturm, wo machen Sie denn Gottesdienst?“, wird zum Beispiel oft gefragt. „Dabei stehen die Leute dann mitten im Gottesdienstraum“, erklärt Müller-Heinzerling schmunzelnd. Andere staunen darüber, dass eine christliche Gemeinde einen solchen Service anbietet. „Deshalb haben wir immer jemanden dabei, der die Leute betreut.“

Aber auch an den Reparaturstationen wird nicht nur gewerkelt. Bei der Reparatur gibt es oft Rückfragen. Und wenn etwa die Elektroreparateure feststellen, dass die Geräte falsch bedient wurden, erklären sie, wie das Gerät arbeitet und wie man schonender mit der Technik umgeht. Oder dass es sinnvoll ist, beim nächsten Kauf nicht nur auf den Preis, sondern auch auf die Qualität zu achten. „Wenn dem Entwickler gesagt wird: Nimm den billigsten Schalter und Transistor, das billigste Gehäuse, dann können die Dinge nicht lange halten. Qualität hat ihren Preis.“ Das gilt ebenso für Kleidung und Dienstleistungen.

„Ich sehe eine Verknüpfung zwischen einem guten Umgang mit der Schöpfung und dem christlichen Glauben“, betont Thomas Müller-Heinzerling. Das Thema Nachhaltigkeit sei momentan in aller Munde. „Da brauchen wir uns nicht verstecken. Wir glauben, es ist Gottes Auftrag an uns, mit seiner Schöpfung vernünftig umzugehen.“

Glücksgefühle

Um 12.00 Uhr nehmen die Reparaturstationen ihre letzten Aufträge an. Mit ihnen sind sie durchschnittlich noch 45 Minuten beschäftigt. Dann geht es ans Aufräumen und Abbauen – bis das Repair-Café wieder öffnet. Normalerweise ist das einen Monat später. Wegen Corona dauert die Pause nun aber schon seit Oktober 2020.

Die Elektromonteure, „Holzwürmer“ und Näherinnen hoffen, dass sie bald wieder Gelegenheit haben werden, andere glücklich zu machen. Und dabei selbst Glück zu erleben. Zum Beispiel wenn sie alte Erinnerungsstücke wieder in Gang bringen. „Der alte Toaster stand in der Küche meiner Eltern“, heißt es dann zum Beispiel. „Ich würde mich freuen, wenn er wieder funktioniert.“ Andere Geräte werden dringend gebraucht. So wie die Küchenmaschine einer Flüchtlingsfamilie. Die war eigentlich nicht zu retten, aber eine neue konnte sie sich nicht leisten. Vier Mitarbeiter tüftelten schließlich gemeinsam eine Lösung aus. „Wegen solcher Erlebnisse macht es Spaß, mitzuarbeiten!“

Repaircafé der FeG Karlsruhe

Am Wald 2, 76149 Karlsruhe
repaircafe@feg-karlsruhe.de
www.feg-karlsruhe.de/de/repair-cafe
Verband der Repair Cafés: www.repaircafe.org/de/
Reparatur-Initiativen: www.reparatur-initiativen.de/

 

Der Bericht stammt von Agnes Wedell. Sie leitet die Redaktion LebensLauf.