Fabian wehrt sich

Die Großeltern-Kolumne

Opa fotografiert gern und oft. Fotoalben und Pappschachteln füllen sich mit Bildern von Sonnenuntergängen und Raureif im Winter, den Hochzeitsfeiern der Nichten und Neffen, dem blühenden Rhododendronbusch und den Osterglocken im Garten.

Inzwischen hat Opa ein anderes, ein viel wichtigeres Motiv. Wenn immer sich eine Gelegenheit bietet, fotografiert er seinen Enkel Fabian. Die Bilder halten fest, wie er zum ersten Mal lachte, wie er sich beim Essen die Weintrauben vom Teller pickt, wie er im Sandkasten und mit dem Dackel Susi spielt, wie er sich auf seinem winzigen Laufrad auf den Heimweg macht.

Manchmal blitzt‘s, eine tausendstel Sekunde lang, und dann erschrickt der kleine Kerl, um die ungewohnte Störung sogleich wieder zu vergessen.

Irgendwann wird das Fotografieren dann doch lästig. Trotzig wendet er sich ab, wenn der Opa den Fotoapparat zückt. Und irgendwann reagiert er dann mit einem entschiedenen Nein, wenn der Fotograf ihn – freundlich und werbend – auffordert, in die Linse zu gucken und zu lächeln.

Und dann kommt der Tag, an dem etwas ganz Unerwartetes geschieht: Arglos verkündet Opa, dass er wieder einmal ein Foto machen möchte, weil er seinen Enkel drei Wochen lang nicht gesehen hat. Der Junge bleibt zwei, drei Sekunden lang stehen und guckt seinen Großvater nachdenklich an. Dann stellt er herausfordernd, laut und listig fest: „Lachen!“ Doch damit nicht genug. Er bricht in ein gekünsteltes, wieherndes Gelächter aus, wie man es bei einem Kind von gut zwei Jahren nie und nimmer erwarten würde.

Mit dem Foto wird’s fürs Erste nichts. Der Opa schüttelt den Kopf und legte den Apparat schweigend und nachdenklich zu Seite. Fabian hat seine Lektion gelernt und dem Großvater den Spiegel vorgehalten: So muss es sein, damit Mama und Papa, Tante Angelika und Onkel Martin das Bild gefällt. So und so und so …

Beim nächsten Mal wird Opa seinen Enkel fotografieren, wenn der sich unbeobachtet fühlt, wenn er mit seinen Bausteinen spielt, den Luftballon steigen lässt oder den Dackel Susi streichelt. Vielleicht, dass dann die besseren und ehrlicheren Dokumente entstehen.

Kurt Schreiner ist seit mehr als 50 Jahren mit seiner Frau verheiratet, hat zwei Kinder und wohnt in Öhringen.