Nur aus dem Gestern versteht man das Heute

Als ich vor einer Woche bei meiner Mutter zu Besuch war, haben wir uns ausgiebig Fotos angesehen: Aufnahmen von den Urenkelinnen, die deren Eltern stolz weiterleiten, Schnappschüsse und Gruppenfotos vom Familientreffen im Sommer, von den Enkeln zusammenstellte Fotobücher aus dem vorigen Jahrzehnt und die guten alten Alben, in denen Unmengen an Fotoecken verklebt wurden. Besonders lange blieben wir am ersten Album meiner Mutter hängen – mit Aufnahmen von ihren Großeltern und Eltern, Geschwistern und Jugendfreundinnen.
Solche Fotos sind für mich ein Schatz: Sie lassen eigene Erlebnisse neu lebendig werden und bilden Brücken in eine Vergangenheit vor meiner Zeit. Vom Wert solcher und anderer „Zeitzeugen“ kann auch Hartmut Bärend berichten: „Ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, ja dass es notwendig ist, nach dem Gestern zu fragen, um für das Morgen gewappnet zu sein“.
Verfolgt man die aktuellen Diskussionen, hat man aber zuweilen den gegenteiligen Eindruck: Weil die Älteren so viele Fehler gemacht haben, sei es nun Zeit für etwas ganz Neues. Und dieser Vorwurf lässt sich ja nicht völlig vom Tisch wischen. Nur ein Beispiel: Dass unsere Wegwerfgesellschaft die Lebensgrundlagen der Erde gefährdet, habe ich bereits als Teenager in der Umweltstudie „Global 2000“ gelesen. Seitdem wird Jahr für Jahr darüber berichtet – lange Zeit ohne Konsequenzen.
Ja, wir haben Vieles versäumt. Gerade deshalb ist es doch wichtig zu erforschen, warum das so ist, wie es möglich war, dass positive Ansätze im Sand verliefen. Wieso kurzfristige Interessen immer wieder langfristige Ziele überlagern. Damit wir als Gesellschaft oder Einzelne nicht immer wieder in dieselben Fallen tappen, müssen wir die Vergangenheit kennen, betont deshalb Claus-Dieter Stoll.
In der Bibel wird noch ein anderer wesentlicher Grund genannt, die Vergangenheit wach zu halten. Mehrfach liest man die Mahnung „Gedenke …“ und dann wird daran erinnert, wie Gott seine Menschen beschützt, sie versorgt, ihnen vergeben hat. Dass das auch in Zukunft so sein wird, darauf bleiben wir angewiesen. Und darauf können wir uns verlassen!

Ihre Agnes Wedell

Redaktion LebensLauf