Nicht noch eine Schublade!

Ich bin das Nesthäkchen in meiner Familie. Geschwisterforscher haben herausgefunden, dass Letztgeborene gerne im Rampenlicht stehen, oft wahre Unterhaltungskünstler sind und außerdem sehr risikofreudig. Das alles bin ich ganz und gar nicht! Ich unterhalte mich lieber intensiv mit einer guten Freundin, als Smalltalk mit Dutzenden mehr oder weniger Bekannten zu führen oder, noch anstrengender, auf einer Bühne zu stehen. Und statt Kopf und Kragen zu riskieren, gehe ich meistens auf Nummer sicher. Übersichten, wie Erstgeborene, Mittelkinder und Nesthäkchen durch ihre Position in der Geschwisterfolge geprägt werden (Seite 18-21) sind eben nicht dafür gedacht, sich selbst oder andere Menschen in Schubladen zu packen und diese ordentlich mit einem Etikett zu beschriften. Damit wird man keinem Menschen in seiner Einzigartigkeit gerecht.

Trotzdem: Wer sich damit beschäftigt, welchen Einfluss die Herkunftsfamilie auf die eigene Entwicklung haben kann, erlebt so manchen Aha-Effekt. Mir ging es zumindest so. Auch wenn ich nicht ganz ins Raster passe, habe ich einiges über mich gelernt. Und über einige Mitmenschen, die ich manchmal als engstirnig oder unsensibel einschätze, die eine Situation aber einfach ganz anders wahrnehmen als ich.

Wenn jeder ab und zu versuchen würde, in den Schuhen des anderen zu gehen, also die Welt aus seiner Sicht zu betrachten, könnten wir wohl viele Krisen und Auseinandersetzungen vermeiden.

 

Ihre Agnes Wedell